Seit gestern hat die Formel 1 mit Max Verstappen einen neuen Weltmeister. In einem der engsten und spannendsten Finishs der Geschichte der Königsklasse des Motorsports setzte sich der Niederländer knapp gegen seinen Kontrahenten Lewis Hamilton durch. Doch wer ist Max Verstappen überhaupt? Wo kommt der Red Bull-Pilot her und wie verlief sein Weg in die Formel 1? SPOX hat den neuen Weltmeister genauer beleuchtet.
Geboren am 30. September 1997 im belgischen Hasselt (er besitzt auch die niederländische Staatsangehörigkeit) ist Max Verstappen der Beruf quasi in die Wiege gelegt worden. Vor allem bei älteren Formel-1-Fans dürfte der Name Verstappen so einige Glocken klingeln lassen, bestritt Vater Jos zwischen 1994 und 2003 an der Seite von Schumi, Häkkinen und Co. doch immerhin 107 Grand Prix'.
Doch nicht nur der Vater, dem während der aktiven Zeit immerhin zweimal den Sprung auf das Podium gelang, half Max in Sachen Karrierefindung, auch Mutter Sophie (Kartsport), Onkel Anthony sowie Großvater Paul (beide GT-Sport) waren Vorbilder. Eine klassische Motorsport-Familie eben. Das Benzin ist schon im Blut.
Tatsächlich aber sollte sich der Sprung in den kompetitiven Rennsport noch etwas hinziehen. Erst im Jahr 2005, im Alter von sieben Jahren, nahm Verstappen an den ersten Kart-Serien teil, wo das ungeheure Talent des heute 24-Jährigen erstmals durchblitzte. Seine Jugend war dabei zweigeteilt: Schule von Montag bis Freitagmittag, danach ging es mit dem Bus und Papa Jos quer durchs Land zu Kart-Rennen.
Generell sollte Jos in der Karriere seines Sohnes eine entscheidende Rolle einnehmen. Unter seiner Regie schliff er das Juwel mit der nötige Härte. "Wir sind nicht auf die Strecke gegangen, um hinterherzufahren. Ich wollte immer nur gewinnen, gewinnen, gewinnen. Das habe ich von ihm auch verlangt", erinnerte sich Verstappen senior bei Sport1.
Einmal war er gar so wütend auf seinen Sohn, dass er diesen an einer Autobahnraststätte stehen ließ. "Ich wollte ihn spüren lassen, dass das nicht gut ist, wenn er so weiterfährt", erklärte Verstappen. Ein Rabenvater sei er dennoch nicht gewesen: "Ich wusste, dass meine Frau hinter mir fährt und ihn mitnimmt." Die harte Schule sollte sich aber auszahlen.
Zwischen 2006 und 2008 gewann Sohn Max dreimal die belgische Minimax-Rotax-Challenge. 2007 siegte er zudem in der niederländischen Minimax-Rotax-Challenge. 2008 und 2009 entschied er die Minimax-Wertung der Benelux Karting Series für sich und wurde in beiden Jahren belgischer Kart-Meister. 2008 in der Kadetten-Klasse, 2009 in der KF5-Wertung.
Bei F1-Debüt hatte Verstappen noch keinen Führerschein
Ab dem Jahr 2010 ging Verstappen dann zum ersten Mal in internationalen Kart-Serien an den Start, wo er mit mehreren Meistertiteln auf sich aufmerksam machen sollte. Das erste dicke Ausrufezeichen setzte der Niederländer dann drei weitere Jahre später, als er seine ersten Kilometer in einem Formel-Wagen abspulte und sich bei verschiedenen Testfahrten gegen deutlich erfahrenere Piloten durchsetzte.
Einem kurzen, jedoch sehr erfolgreichen Abstecher in die Formel 3, wo er auf Anhieb zu den besten Fahrern im Feld gehörte und bereits zur Saisonhälfte vier Siege und einen zweiten Platz sammelte, folgte Mitte 2014 der Wechsel ins Red-Bull-Förderprogramm, wo man von Anfang an große Stücke auf ihn hielt. Verstappen trat mit seiner Verpflichtung bereits in die Fußstapfen großer F1-Fahrer, etwa dem viermaligen RB-Weltmeister Sebastian Vettel oder seinem späteren Teamkollegen Daniel Ricciardo.
In der Saison 2015 avancierte er mit seinem Debüt bei Red Bulls Ausbildungs-Team Toro Rosso (heute AlphaTauri) im Alter von 17 Jahren, 5 Monaten und 16 Tagen dann zum jüngsten Formel-1-Piloten der Geschichte. Zu dieser Zeit besaß der Niederländer noch nicht mal einen Führerschein, durfte per Gesetz keine Verträge unterschreiben oder Cocktails konsumieren. Für Förderer Red Bull sollte es deshalb zunächst auch ordentlich Kritik hageln. Zu jung sei der Niederländer für ein Engagement in der Königsklasse des Motorsports, so der damalige Vorwurf vieler Medien und Experten.
Doch Verstappen sollte seine Kritiker Lügen strafen. Er überzeugte in seinem ersten F1-Jahr mit vielen starken Leistungen in den Rennen und zeigte dabei einige sehenswerte Überholmanöver. In Ungarn und den USA verpasste er zweimal knapp das Podium als jeweils Vierter. Mit insgesamt zehn Punkteplatzierungen sammelte der junge Niederländer insgesamt 49 WM-Zähler und belegte am Ende seiner Debütsaison den zwölften Platz in der Fahrerwertung.
Die Geburtsstunde von "Mad Max"
Oft war Max Verstappen der Erste, dem etwas in seinem Alter gelingen sollte. Neben dem Rekord für den jüngsten Piloten in der Königsklasse überhaupt brach Verstappen auch den Rekord für den jüngsten Fahrer in den Punkten sowie die Bestmarken für den jüngsten Fahrer, der je ein Rennen anführte und einen Grand Prix gewann.
Letzteres gelang ihm im ersten Rennen nach seiner Beförderung zur "großen Schwester" Red Bull im Jahr 2016, wo er beim Spanien-GP den zuvor in Ungnade gefallenen Russen Danyl Kvyat ersetzte und - wie sollte es auch anders sein - umgehend zu überzeugen wusste. Im weiteren Verlauf der Saison sollte er noch das ein oder andere Highlight setzen. Unvergessen bleibt beispielsweise sein Auftritt in Brasilien, als er im strömenden Regen so manchen erfahrenen F1-Haudegen abkochte und seine überragenden Qualitäten als Regenspezialist unter Beweis stellte.
Das blieb auch bei den Fans hängen. Die Fangemeinde des Niederländers sollte fortan rasant anwachsen, die sogenannte "Orange Army" reiste mit ihm rund um die Welt und feuerte ihn an den entlegensten Orten mit unglaublicher Begeisterung an. Ähnliches hatte es tatsächlich nur zu Schumachers Zeiten gegeben.
Doch auch die ersten negativen Angewohnheiten Verstappens sollten zu dieser Zeit zum Vorschein kommen. Seine überaus harte Fahrweise, insbesondere bei Spurwechseln in der Anbremszone, rief viele Kritiker inner- und außerhalb des Fahrerlagers auf den Plan. Es war die Geburtsstunde von "Mad Max". Nach Druck einiger Teams und Fahrer erließ die FIA zum Jahresende gar die sogenannte "Verstappen-Regel", die einen Spurwechsel des Autos beim Anbremsen verbieten sollte.
Verstappen störte das wenig, sportlich ging es für den Youngster nämlich weiter aufwärts. 2017 feierte er neben Teamkollege Ricciardo zwei Siege in Malaysia und Mexiko, ein Jahr später sollten sogar insgesamt elf Podiumsplätze herausspringen (ebenfalls zwei Siege). Ein Angriff auf Primus Mercedes ging sich jedoch nicht aus, auch weil Verstappen und sein RB oft von Zuverlässigkeitsproblemen geplagt wurden.
Verstappen kann Mercedes-Dominanz vorerst nicht brechen
Auch 2019 wurde es nichts mit einem Angriff auf die WM für Verstappen. Ohne nennenswerte Konkurrenz aus dem eigenen Team (zunächst Pierre Gasly, später Alex Albon als Teamkollege) kämpfte Verstappen mit den beiden Ferrari-Piloten Vettel und Kimi Räikkönen um den dritten Platz in der Fahrer-Meisterschaft.
Ein Kampf, den der Niederländer letzten Endes für sich entschied. Verstappen triumphierte in Österreich sowie bei den beiden Chaos-Rennen in Deutschland und Brasilien. Im Gegensatz zu 2018, als er von der Rennleitung des Öfteren wegen gefährlichen Fahrens Strafen kassiert hatte und sein Image als "Mad Max" manifestierte, blieben größere Fehler und Fehden aus.
2020 sah Verstappen gegen die erneut absolut überlegenen Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton und Valtteri Bottas kein Land, holte aber das Maximum heraus. Bis zum letzten Rennen kämpfte er gegen den Finnen um den Vizetitel, musste sich letztlich aber mit Platz drei zufriedengeben. Den Umständen entsprechend war es trotzdem ein ordentliches Jahr für den Niederländer.
Neben der Tatsache, dass er der einzige Nicht-Mercedes-Fahrer war, der in der Saison zwei Rennen gewinnen konnte, fuhr er, wann auch immer er die Zielflagge sah, unter die Top drei (mit einer Ausnahme, als er in der Türkei nur P6 belegte). Das Highlight der 20er-Saison sollte aber ein anderes werden: Mit Red Bull einigte sich der Niederländer auf eine langjährige Zusammenarbeit, wohl schon in Vorahnung was noch alles kommen könnte.
Nach WM-Triumph: Red Bull feiert "Super Max"
Heute - ziemlich genau ein Jahr später - ist diese Vorahnung Wirklichkeit geworden. In Abu Dhabi feierte er seinen insgesamt 20. Karriere-Sieg (allein zehn in dieser Saison) und kürte sich nach einem Jahr voller Höhen und Tiefen in einem der spannendsten F1-Finishs aller Zeiten zum zweijüngsten Formel-1-Weltmeister überhaupt (nach Vettel).
Der Stolz, diese Herausforderung mit seinem "Ausbildungs-Team" gemeistert zu haben, brach bereits wenige Augenblicke nach Zieleinfahrt ungewohnt emotional aus ihm heraus: "Das ist unglaublich Jungs", funkte er mit zittriger Stimme an die Box: "Können wir das bitte in den kommenden 10 bis 15 Jahren zusammen machen?" Er wolle "bis ans Lebensende bei diesem Team bleiben, ich liebe sie."
Auf der anderen Seite feierte auch Red Bull seinen "Super Max". Für die Österreicher endete mit dem Triumph des Niederländers eine Reise, die mit seiner Verpflichtung im Jahr 2014 begann. Seitdem hat RB ein beeindruckendes Team um Verstappen herum aufgebaut, sämtliche Prozesse sind auf ihn ausgelegt.
Doch große Leistungen wecken große Erwartungen. Und nun, da die sieben Jahre andauernde Titelserie von Mercedes gebrochen ist, soll Verstappen, der für das kommende Jahr passend dazu als amtierender Weltmeister die Startnummer eins wählte, eine Ära prägen. Dass das gelingen kann, steht außer Frage. Trotz der weitreichenden Regeländerungen im kommenden Jahr besitzt Red Bull die finanziellen (Gehälter sind vom Budget-Limit ausgeschlossen) und personellen Möglichkeiten, auch im kommenden Jahr ein ernstzunehmender Wettbewerber zu sein.
Mit Verstappen hat man zweifelsohne eines der größten F1-Talente aller Zeiten im Cockpit, der noch lange nicht auf dem Höhepunkt seines Schaffens angekommen ist. Der Niederländer scheint von sich aus die Motivation zu haben und Möglichkeiten beim Team aus Österreich zu sehen. Nun ist er Weltmeister. Das könnte erst der Anfang gewesen sein.
Max Verstappen: Seine Karriere-Leistungsdaten
Starts WM-Titel Siege Poles Schnellste Rennrunden 141 1 (2021) 20 13 16
Formel 1: Die WM-Wertung 2021 nach 22 von 22 Rennen
- Fahrerwertung:
Platz Fahrer Team Punkte 1 Max Verstappen Red Bull 395,5* 2 Lewis Hamilton Mercedes 387,5* 3 Valtteri Bottas Mercedes 226 4 Sergio Perez Red Bull 190 5 Carlos Sainz Ferrari 164,5* 6 Lando Norris McLaren 160 7 Charles Leclerc Ferrari 159 8 Daniel Ricciardo McLaren 115 9 Pierre Gasly AlphaTauri 110 10 Fernando Alonso Alpine 81 11 Esteban Ocon Alpine 74 12 Sebastian Vettel Aston Martin 43 13 Lance Stroll Aston Martin 34 14 Yuki Tsunoda AlphaTauri 32 15 George Russell Williams 16 16 Kimi Räikkönen (wegen Covid-19 nur 20 der 22 Rennen) Alfa Romeo 10 17 Nicholas Latifi Williams 7 18 Antonio Giovinazzi Alfa Romeo 3 19 Mick Schumacher Haas 0 20 Robert Kubica (für Räikkönen bei Niederlande-GP und Italien-GP) Alfa Romeo 0 21 Nikita Mazepin Haas 0
- Konstrukteurswertung:
Platz Team Punkte 1 Mercedes 613,5* 2 Red Bull 585,5* 3 Ferrari 323,5* 4 McLaren 275 5 Alpine 155 6 AlphaTauri 142 7 Aston Martin 77 8 Williams 23 9 Alfa Romeo 13 10 Haas 0
*Beim 12. WM-Lauf in Belgien wurden aufgrund der nicht vollständig absolvierten Renndistanz nur halbe Punkte vergeben.